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AnwaltsVerband Baden-Württemberg
im Deutschen AnwaltVerein e.V.
Darstellung der drei Löwen des Baden-Württembergischen Wappens

Parlamentarischer Abend 2021

Am 6. Oktober 2021 konnte der Anwaltsverband Baden-Württemberg - nach einer corona-virus-bedingten Pause in 2020 - endlich seinen 12. Parlamentarischen Abend in Stuttgart ausrichten. Der Einladung folgten 15 neu gewählte Landtagsabgeordnete aller fünf Fraktionen mit ihren jeweiligen parlamentarischen Beratern sowie die neue Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges MdL. Sie hatten dort Gelegenheit, mit dem Vorstand des Anwaltsverbandes und den Vorständen seiner örtlichen Mitgliedsvereine, den Präsidenten der Rechtsanwaltskammern, Spitzenvertretern der Justiz und Vertretern der anderen justiznahen Berufsorganisationen, wie der Notare, der Strafvollzugsbeamten oder vereidigten Dolmetscher, ins Gespräch zu kommen. Die Veranstaltung war mit 80 Gästen außerordentlich gut besucht. 


Der Präsident des Anwaltsverbandes RA Prof. Dr. Peter Kothe bei der Begrüßung
Justizministerin Marion Gentges MdL bei ihrem Grußwort
Die rechtspolitische Sprecherin der GRÜNEN-Landtagsfraktion RAin Daniela Evers MdL aus Freiburg bei ihrem rechtspolitischen Statement
RA Arnulf Freiherr von Eyb MdL bei seinem rechtspolitischen Statement für die CDU-Landtagsfraktion
RA Boris Weirauch MdL spricht für die SPD-Landtagsfraktion
RA Nico Weinmann gibt seine rechtspolitische Stellungnahme für die FDP-Landtagsfraktion ab
Anton Baron MdL als rechtspolitischer Sprecher der AFD-Landtagsfraktion bei seinem Statement
v.l.n.r.: die parl. Beraterin für Inneres Germaine Knoll-Merritt, Oliver Hildenbrand MdL, Martina Häusler MdL, Peter Seimer MdL und Daniele Evers MdL von der GRÜNEN-Landtagsfraktion
v.l.n.r.: Alexander Schmid (Landesvorsitzender Strafvollzugsbeamte), RA Prof. Dr. Peter Kothe (Anwaltsverband), Cornelia Horz (Präsidentin OLG Stuttgart) und Guido Wolf MdL (CDU-Fraktion)
Der Präsident des LG Stuttgart Dr. Andreas Singer mit dem Viepräsidenten der RAK Stuttgart RA Prof. Dr. Ingo Hauffe
RA Thomas Hentschel MdL (Grüne, mit Bernd Mutschler (Präsident LSG BW) und Beate Bube (Präsidentin des LfV)
v.l.n.r.: RA Walter Pilz (stv. Vorsitzender Versorgungswerk der Rechtsanwälte), RiSG Dr. Uttam Das (stv. Vorsitzender LACDJ BW), Ann-Kathrin Hofmann (parl. Beraterin CDU), RA Arnulf Freiherr von Eyb MdL (CDU), Corinna Moser (parl. Beraterin CDU) und Andreas Deuschle MdL (CDU)
RA Winfried Porsch (ARGE Verwaltungsrecht BW) mit Manfred Muhler (Präsident FG BW)
Sintje Leßner (Präsidentin LJPA BW), StAin Dr. Sarah Röck und Ministerialrat Dr. Peter Röhm (Justizministerium BW)

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Der Präsident des Anwaltsverbandes, RA Prof. Dr. Peter Kothe, begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste, insbesondere die Landtagsabgeordneten und Spitzenvertreter der baden-württembergischen Justiz. Weiter begrüßte er die Gäste aus dem Justizministerium, justiznahen Berufsverbänden sowie der Berufskammern und des Versorgungswerks der Rechtsanwälte.

Prof. Kothe sprach sich für das in 2021 neu geschaffene Transparenzregister beim Landtag von Baden-Württemberg aus, das nun besser erkennen lasse, welche Lobbyverbände aktiv seien.

Kritisch äußerte sich Prof. Kothe zum Diskussionspapier der Präsidenten der Oberlandesgerichte zur "Modernisierung des Zivilprozesses", insbesondere was die Vorhaben zur Strukturierung des Parteivortrags anbelange. Er erinnerte an die althergebrachte Erkenntnis "form follows function" und legte Wert darauf, dass dies auch weiter für Gerichtsverfahren gelte und nicht etwa umgekehrt.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht sei auch das hohe Gut des Öffentlichkeitsgrundsatzes zu wahren. Es könne nicht sein, dass im Zuge der Corona-Pandemie immer mehr Videoverhandlungen stattfinden würden, von denen die Öffentlichkeit nur begrenzt Kenntnis erlangen könne. Das Gleiche gelte für Zugangsbeschränkungen zu Gerichtssälen, sei es durch Mengenbegrenzungen oder Ausweiskontrollen.

Mit Blick auf die weitere Einrichtung von "Häusern des Jugendrechts" meinte Prof. Kothe, dass die Ermöglichung schneller Konsequenzen nach kriminellem Verhalten von Jugendlichen sicherlich sinnvoll sei, er aber eine stärkere Einbindung der Anwaltschaft vermisse. Bisher seien dort überwiegend Polizeibeamte, das Jugendamt und Staatsanwälte tätig. Strafverteidiger hätten aber eine ganz wesentliche gesellschaftliche Funktion, die nicht über Bord geworfen werden könne, auch wenn dies etwaige Verfahren mühsamer und langsamer mache.

Auch beim 2020 vom Innenministerium BW aufgelegten Bildungsprogramm "Rechtsstat macht Schule" vermisse er eine ausreichend starke Rolle von Anwälten. Schüler sollten nicht nur Polizeibeamte und Staatsanwälte kennenlernen, sondern auch die wichtige rechtsstaatliche Aufgabe von Anwälten.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Politik zunehmend die wichtige Rolle der Anwaltschaft übersehe, sei das Projekt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz "LandFrauenGuides" von 2019. Hier soll der Deutsche Landfrauenverband mit der Verbraucherzentrale Bayern ehrenamtliche Verbraucherschutzberatung in den ländlichen Raum bringen. Rechtsberatung obliegt aber primär der juristisch eigens dafür langjährig und hochwertig ausgebildeten Anwaltschaft, was sich auch im Rechtsdienstleistungsgesetz widerspiegele. Es sei daher sinnvoller, die bereits existierenden "anwaltlichen Beratungsstellen" auszubauen, um die Rechtsberatungsqualität zu wahren.

Die Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges MdL erwiderte darauf, dass zu ihrem Verständnis vom Rechtsstaat alle Organe der Rechtspflege gehören, also auch die Rechtsanwälte. Im "Haus des Jugendrechts" in ihrer Heimatregion sei ihre Kanzleikollegin immer wieder tätig.

Sie habe Verständnis für die Vorbehalte des Anwaltsverbandes gegen den von den OLG-Präsidenten ins Spiel gebrachten strukturierten Vortrag, sehe aber auch, dass man Lösungen für die neuartigen Masseverfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten finden müsse, etwa hinsichtlich der "VW- und Daimler-Diesel-Klagen". Auch beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim als Zweiter Instanz seien nun ca. 600 Klagen gegen die Corona-Verordnungen des Landes angekommen. Ebenso seien Ordnungswidrigkeitsverfahren enorm angestiegen. 25% davon hätten einen Bezug zu Corona-Regelungen. Im Bereich der Ahndung von Kinderpornografie gehe es derzeit um ca. 2.000 Verfahren.

Aus diesen Gründen seien im Haushalt nun 285 Neueinstellungen und 166 Entfristungen im Justizwesen vorgesehen.

Das Ministerium arbeite weiter an der Einführung der elektronischen Akte, insbesondere der elektronischen Bußgeldakte. Zwei Staatsanwaltschaften seien hier Vorreiter, z. B. Ulm. Schwierig dabei sei, dass es mehrere unterschiedliche Beteiligte gebe. Ziel sei aber, dies bis 2025 zu etablieren.

Der elektronische Rechtsverkehr soll, wie geplant, zum 1.01.2022 starten. Bereits jetzt habe man über 200.000 elektronische Posteingänge.

Alle Gerichte in Baden-Württemberg sollen mit Videokonferenztechnik ausgestattet werden. Der Öffentlichkeitsgrundsatz werde dadurch gewahrt, dass sich der Richter dabei im Sitzungssaal befinden müsse. Bei den Arbeitsgerichten hätten zuletzt ca. 2/3 der Verhandlungen per Videokonferenz geführt werden können. Die Technik eigne sich insbesondere für Zivilverfahren. § 128a ZPO solle so ausgestaltet werden, dass ein Richter die Videoverhandlung anordnen könne. Die jeweiligen Parteivertreter sollen aber ein Widerspruchsrecht bekommen.

Mit Blick auf Legal Tech und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz meine sie, dass diese Verfahren unterstützen, menschliche Entscheidungen aber nicht ersetzen könnten.

Die rechtspolitische Sprecherin der GRÜNEN-Landtagsfraktion RAin Daniela Evers MdL verwies mit Blick auf die zahlreichen Corona-Regelungen auf die besondere Bedeutung des Verfassungsrechts und der darin niedergelegten "Wesentlichkeitstheorie", wonach wesentliche Grundentscheidungen vom Parlament per Gesetz und nicht etwa von der Exekutive im Verordnungswege getroffen werden müssen. In den Pandemiejahren 2020 und 2021 habe sich gezeigt, wie wichtig Anwälte für einen fruchtbaren Diskurs sind. Sie dankte dem Anwaltsverband BW für seine Unterstützung durch seine rechtspolitischen Stellungnahmen.

Für die CDU-Landtagsfraktion sprach deren rechtspolitischer Sprecher RA Arnulf Freiherr von Eyb MdL. Er hob die Wichtigkeit der Nachwuchsgewinnung heraus und meinte, nur auskömmliche Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz würden zur Stabilisierung der Gesellschaft beitragen. Im sei es ein besonderes Anliegen, Phänomene, wie die zunehmende Hatespeech, einzudämmen und hier für eine verläßliche Rechtsordnung zu sorgen. Der Anwaltsverband solle das Fundament der Anwaltschaft stark halten.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion RA Boris Weirauch MdL sagte, der Rechtsstaat habe in der Corona-Krise gezeigt, dass er gut funktioniert habe. Die Bedeutung von Justiz, Rechtspflege und Anwälten habe sich hier besonders gezeigt. Man müsse an der Gewaltenteilung festhalten und es dürfe nicht zur Normalität werden, dass nur die Regierung im Verordnungswege handele. So weitreichende Regelungen, wie zuletzt erlebt, müssten aus der Mitte des Landtags kommen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg habe hohe Verdienste geleistet. Auch die Stellungnahmen des Anwaltsverbandes seien hilfreich gewesen. An der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG müsse festgehalten werden. Hinsichtlich der Haushaltsfragen gebe es eine gute Zusammenarbeit und die SPD-Fraktion werde die personelle Stärkung der Justiz unterstützen.

RA Nico Weinmann MdL, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion mahnte zur Verhältnismäßigkeit. Bei der LKW-Maut habe man seinerzeit die Daten zu Abrechnungszwecken erfassen wollen, heute sollen sie aber zur Strafverfolgung genutzt werden. Deswegen sei es wichtig, die Demokratie und den Rechtststaat zu stärken und auch mit entsprechenden Bildungsangeboten in die Schulen zu gehen.

Für die AFD-Landtagsfraktion von Baden-Württemberg kam Anton Baron MdL zu Wort. Er befürworte die 285 neuen Stellen für die Justiz. Rechtsanwälte würden zur Stabilität beitragen. Der Anwaltsverband habe 6 rechtspolitische Stellungnahmen zur Verfügung gestellt, die eine wichtige Hilfe gewesen seien. Im anwaltlichen Berufsrecht habe es mit der BRAO-Reform einige Neuerungen gegeben, etwa zu den Vertretungsregelungen. Im Bereich "Legal Tech" sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie müsse man noch weiter vorankommen. Er dankte dem Anwaltsverband für seine Arbeit.

Abschließend wies der Verbandspräsident Prof. Kothe auf die für Mai 2022 geplante Gesellschaftspolitische Matinee zum Thema "Verrohung des Sagbaren" hin und lud alle Anwesenden dazu ein.





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